Gerne wäre ich Grundschullehrerin geworden. Beim erfolgreichen Diplomabschluss jedoch, nach einem 6-jährigen, verbissenen und haareraufenden Lernversuch mit burnout- und depressionsreifen Praktika, gestand ich mir schlussendlich ein, dass regelmäßige, monatliche Zusammenbrüche aufgrund der täglichen Reizüberforderungen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen im schulischen Alltag keine so tolle Basis seien für eine langfristige Berufsausübung.

Hätte ich während meiner Schulzeit und meines Studiums gewusst, dass ich das Asperger Syndrom habe, wäre es dann anders verlaufen? Hätte ich frühzeitig genug Kompensationsmechanismen gelernt, Strategien entwickelt wie ich die lebensnotwendigen Rückzugs- und Dekompressionsmöglichkeiten einbauen kann, wie ich den sozial-emotional-kognitiven „Point of No Return“ erkenne, bei dessen Überschreitung ich Tage bzw. Wochen brauche, bis mein Nervensystem sich wieder beruhigt hat? Hätte ich mich nicht jahrelang für einen sozialen Beruf begeistert, sondern sofort und realistisch einen Beruf anvisiert mit wenig Menschenkontakt, wenig Spontaneität, wenig Aufregung, wenig Multitasking und wenig Anforderungen?

Vielleicht. So jedoch war ich nach meiner universitären Ausbildung einfach nur zutiefst verunsichert, weil ich mit allem Willen und Talent, aller Motivation, Intelligenz und Reflektion nicht fähig war, normal und langfristig im Berufsalltag zu funktionieren. Auch sonstige Berufserfahrungen in Studentenjobs oder freiwilligen Aktivitäten verliefen nach ähnlichen Mustern. War ich einfach unfähig und zu blöd, um eine Arbeit zu leisten?

Zu meinem Glück verhalfen mir einige liebe Mitarbeiterinnen der Fondation Autisme Luxembourg (FAL) zurück zu einer gesunden Selbsteinschätzung, dem Erkennen und Anerkennen meiner sensorischen und kognitiven Grenzen und dem Statut des behinderten Arbeitnehmers; eine Dame der Autisme asbl analysierte mit mir meine Stärken und Schwächen, Bedürfnisse und Fähigkeiten, sowie die Merkmale eines angemessenen Arbeitsplatzes; und ein Kollege gab mir schließlich den wunderbaren Tipp zu einem temporären Teilzeit-Posten bei Info-Handicap asbl.

Nach 5-monatiger Anstellung kann ich folgendes sagen: 16 Stunden die Woche, mit der Möglichkeit einer flexiblen Zeiteinteilung wenn nötig, kurze und einfache Busfahrt bis zum Arbeitsplatz, ein eigenes, ruhiges Büro, 8 angenehme und freundliche Arbeitskollegen, Computerarbeit, wenige Mails, keine Telefongespräche außer gelegentlich mit den Arbeitskollegen, ruhige Mittagspausen im kleinen Kreis im geräumigen Küchenraum, geduldige Hilfestellungen beim Organisieren und bei der Priorisierung und Verständnis bei Schweigen oder Rückzug – all dies sind unglaublich wertvolle, notwendige und hilfreiche Arbeitsbedingungen, welche es mir als Mensch mit dem Asperger Syndrom erlauben, langfristig eine gute Arbeit zu leisten und somit zu einem guten Teil für meinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen.

Es ist möglich Behinderung und Arbeit zu verbinden – mit einer realistischen Selbstkenntnis, einer professionellen Unterstützung und einem aufgeklärten und entgegenkommenden Arbeitsplatz. Meine Zukunft ist noch nicht gesichert, aber ich fühle mich sehr wohl versichert, dass ich meinen Platz in der Gesellschaft besetzen kann. Und dafür danke ich Jedem, der mir auf diesem Weg geholfen hat und immer noch hilft!